Manche witzigen Einfälle sind wie das überraschende Wiedersehen zweier befreundeter Gedanken nach einer langen Trennung.
Friedrich von Schlegel
Ein neues, inspirierendes Wort, welches mich dazu gebracht, hat mich einem neuen Material zu widmen. Neue, eigene Formen ergeben sich aus ihm und diese besitzen einen eigenwilligen Charakter. Korpus oder Membran? Gespannt oder umhüllt? Innen oder außen? Warum es sich lohnt, mal einen Schritt zurück zu gehen und an bereits Entdecktem weiter zu arbeiten.Wie ich von Flugmembranen zu meinen Gewirken zurück fand. Und die Erkenntnis hatte, nicht das Thema nach zu arbeiten. Es reicht sich von einem kleinen Wink, einem Material oder einer Wahrnehmung weitertragen zu lassen. Leises Rascheln von Folie. Oder Flügeln. Ein Wimpernschlag. Eine Erkenntnis.
Folgend die Erfahrungen und Gedanken aus dem neuen, spannenden Thema.
Membran, die
- Dünnes Blättchen aus Metall, Papier o.ä.
- Übertragung von Schallwellen
- Dünnes, feines Häutchen, abtrennende, abgrenzende Funktion
- Filter
Das Reispapier. Meine Themenstellung hat mich zu diesem Material gebracht (vielen Dank an Leonie Diehl). Eine Membran ist ein dünnes, durchlässiges Häutchen. Manchmal schwingt es. Manchmal ist es auch starr und hat winzige Öffnungen, durch diese Stoffe ausgetauscht werden. Genau dieses dünne, feine Häutchen hat mich inspiriert. Ich wollte ein leichtes, schwereloses, ja zerbrechliches Aussehen im Kontrast zu harten metallischen Verstrebungen. Wenn ein Material diese Ästhetik besitzt, dann das Reispapier. Bekannt ist es aus der asiatischen Küche. Mit diesem Papier aus Stärke wird Gemüse zu Sommerrollen gerollt und verklebt.
Wenn die trockene Platte mit Wasser in Berührung kommt, wird sie beweglich. Ich hatte die Idee, eines meiner Drahtgerüste damit zu ummanteln.
Der Versuch ergab einige interessante Erkenntnisse: Die Hülle hing durch. Es gab Stellen an denen das Papier hinunter hing oder sich überlappte. Etwas störte mich. Der Membran fehlte die Spannung. Diese benötigt sie, damit sie ihrer Funktion, der Übertragung von Schwingungen nachkommen kann und sie funktionstreu und ästhetisch erscheint. In meinem Modell wirkte es eher wie eine Hülle, ein Korpus. Ein Korpus ummantelt. Beschützt. Er ist fest und starr. Fast wie ein Endoskelett. Die leichte, schwerelose Wirkung die ich mit dem Material Reispapier erreichen wollte, konnte ich nicht darstellen. Ich hatte ein neues Gewirke gearbeitet, nur aus einem feinerem Material.
Nasses Reispapier lässt sich schwer ziehen. Ebenso ist es extrem klebrig und eigenwillig. Ich erkannte, dass ich vielleicht dem Objekt eine Dimension entziehen muss, um mehr Gestaltung auf das Material ausüben zu können.
Die Membran,die Umhüllt
Meine Experimentierphase mit Reispapier und dem ersten Metallgerüst hat gezeigt, dass ich zu wenig Kontrolle über das Material habe. Ich musste zweidimensional arbeiten und beschäftigte mich mit einer weiteren Membran. Der Flugmembran. Ich beschloss, inspiriert von der Flugmembran einer Libelle, ein Metallgerüst zu arbeiten, welches von Reispapier ummantelt ist. Ich wollte wieder die zarte, leichte Ästhetik aufgreifen. Dazu fertigte ich ein Gerüst in flacher Form eines Flügels an und ummantelte es mit Reispapier. Eigenwillig bog sich der Flügel während des Trockenvorgangs. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, erfüllte aber immer noch nicht meine Ansprüche. Es fehlte immer noch an Spannung. Ein anderes Material musste her. Frischhaltefolie.
Ich bemerkte, dass ich mich zu sehr in meinem Thema verkrampfte. Warum einen Flügel nachbauen, oder eine Membran, wenn vielmehr der Wortlaut oder die Wirkung auf einem Foto inspiriert? Oder die Haptik des Materials zu einer Idee führt. Bei mir war es die Verknüpfung meiner Gewirke mit dem Thema und das Foto eines Libellenflügels. Das Glitzern der Flügel erinnerte mich an Frischhaltefolie.
Back to the roots. Ich ging zwei Schritte zurück, arbeitete ein Gewirkegerüst aus Draht und färbte es weiß. Ich wollte keinen Farbontrast, sondern eine Verbindung beider Elemente. Dies ging gut über die Ähnlichkeit der Farbe. Die hellen Drähte würden super zu der Folie passen, die weiß werden würde, sobald sich einige Schichten überlagern.
Ein Kokon aus Frischhaltefolie. Fremdartig. Wie ein Müllball. Unscheinbar.
Der Innenraum des Objektes gefällt mir besonders gut. Der Luftraum zwischen Folie und Draht. Er erzählt so viel von der Beziehung beider Elemente. Das Nichts mit großer Bedeutung. Wann hat man von außen die Chance nach innen in das geheime Leben eines Kokons zu blicken? Anders als bei meinen Gewirken, die so abstoßend, unnahbar wirkten, lädt gerade dieser Mombrus ein, ihn näher betrachten zu wollen. Zu müssen. Das Unsichtbare, fremdartige entdecken, in diesem zarten Gehäuse. Geborgen. Versteckt.
Gehäuse Geborgen Geteilt Gebannt Geschaut Gespannt Geisterhaft
Kommunikation. Verschmelzung. Austausch.
Mein Bestreben ist es schon seit langem ein Gefühl auszudrücken, welches ich bekam, als ich meine Installation die Ästhetik des Schwebens aufbaute und fotografierte. Ich entwickelte meine letzte Arbeit, den Mombrus, weiter und konnte die Nähe und das Gefühl dank des Mediums Fotografie sehr gut zum Ausdruck bringen. Ein Verlaufsprotokoll.
Kommunikation.
Zwei Objekte wie ein Blatt und der Erdboden kommen sich so nahe, dass sie eine Beziehung zueinander haben, oder entwickeln. Ein Austausch von Nähe findet statt. Beide Objekte kommunizieren miteinander. Als ich damals auf dem Boden lag um die Installation zu fotografieren, erstaunte mich dieser unschuldige, unscheinbare Austausch und fesselte meine Aufmerksamkeit. Zu weit weg um sich zu berühren. Nah genug um Nähe zu vermitteln und einen sanften Schatten zu werfen. Zufälliges Aufeinandertreffen? Die Abwesenheit von Kontrolle. Die Anwesenheit von Nichts. Der Austausch von Gefühlen, Emotionen. Ein Verhältnis zweier völlig ungleicher Elemente. Das Aufeinandertreffen zweier Welten. Unten und Oben
Die Verschmelzung.
Nachdem ich den Mombrus aus Folie fertig gestellt hatte, störte es mich, dass dieser meine Emotionen und den Austausch nicht hundertprozentig vermitteln konnte. Das Leben ist Veränderung. Ich veränderte den Mombrus und wickelte das weiße Metallskelett mit Frischhaltefolie gegen eine Holzplatte. Das Skelett wurde gegen die Platte gedrückt. Die gespannte Folie erzeugte einen Zwischenraum, der von den Metallstäben in viele kleine Zwischenräume geteilt wurde Diese erzeugte so eine Art „Innenraum“, indem sich das Skelett ausbreitete. Mir gefiel am besten, dass sich die Metallstreben leise durch die Folie nach außen bohrten. Die Verbindung von „Innen“ nach „Außen“. Kommunikation. Verschmelzung. Austausch. Nur noch zart getrennt durch ein dünnes Häutchen. Einer Membran.
Der Austausch.
Meine Veränderung des Mombrus erzielte meine gewünschte Wirkung. Die gespannte Folie erfüllte nun die Funktion einer Membran. Theoretisch könnte diese nun auch Schallwellen übertragen. Von innen nach außen. Oder kleine Teilchen könnten durch sie hindurch und die Ebenen wechseln. Gefühle und Emotionen wechseln. Die Verbindung zweier Elemente, zweier Zustände. Außen und innen verschmelzen zu einem jetzt. Hell und Dunkel. Nähe und Entfernung. Durch Licht wurde der Prozess noch verstärkt. Und die Fotos, die ich dann von dem Objekt anfertigte drückten exakt meine Gefühle und Gedanken aus. Der Kontrast zwischen leisen, leichten Weißflächen und den sehr starren schwarzen Metalldrähten. Das Häutchen wirkt wie eine Sphäre. Ein Raum. Möchte es raus? Oder bleibt es im Inneren? Nähe wird dank der Schatten auf der Fläche sichtbar. Enge im Kontrast zur Weite. Gefangen. Frei.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.